Drei verschiedene Aufnahmen der Winterreise von Schubert in diesem Jahr zeugen von einer unverminderten Liebe des Publikums zu diesem romantischen Komponisten. Die Uraufführung der Winterreise geschah im engen Freundeskreis, eine öffentliche Aufführung hat Schubert nie erlebt. Selbst diese war nicht erfolgreich, zu dunkel zu schwer zu traurig urteilten die Freunde, denen Schubert entgegnete, dass diese Lieder schon noch ihren Gefallen finden würden, was , wie die Zeit gezeigt hat, stimmt.

Das Lied gehört zu den Gattungen, die als überzeitlich anzusehen sind ….und findet als typische deutschsprachige Gattungsdichtung kein terminologisches Pendant im internationalen Diskurs… und wird auch der Begriff Lied in anderen Ländern und Sprachen nicht übersetzt. Die Auseinandersetzung mit dem German Lied dem Lied Allemand …verweist auf die besondere, eben spezifisch deutsche Geschichte der Gattung, wie Prof. Birger Petersen in seinem hellsichtigen Vorwort zu dem ersten Band dieser Liedausgabe schreibt.

Geliebte Lieder der Romantik, gegrölte Volkslieder, in den sechziger Jahren in den Schulen aus der Mode gekommen, feiert das Lied heute ein Comeback, angefangen vom gemeinsamem Singen des Berliner Fußball Clubs Union bis zu Liedersingen in dem sonst der Neuen Musik vorgehaltenen Radialsystem in Berlin. Auch Fanclubs beginnen eine neue Musikkultur zu entwickeln, ein Heimatthema für die Forschung der bei uns nur spärlich vertretenen Musikethnologie. Musikalische Prosa nennt Birger in Anlehnung an Herrmann Danuser den Umgang mit Sprache in diesen Kompositionen des 21. Jahrhunderts und weiter… es geht niemals um den Umgang mit Sprache – Musik ist Sprache, Musik wird Sprache, beides verschmilzt ineinander, wird eins: Musiksprache – Sprachmusik (Birger Petersen Vorwort: Aus der Tiefe der Gesang, Berlin 2015: 7f. ISBN 978-3- 940862-59-4 /ISMN 979-0-700302-20-7)

Wie sehr das Lied und damit die Verbindung von Wort und Text die Komponisten beschäftigt, zeigte auch die Präsentation am 3. April im schönen Puttensaal der Bibliothek am Luisenbad. Fragmente, Texte von Aischylos für Sopran und Klavier offenbarten einen ganz neuen überraschend dramatischen Komponisten Matthias S. Krüger. Sein Lied deklamiert, geflüstert, gerufen begeisterte das Publikum so sehr, dass es auf eine Wiederholung drängte, um auch den Text noch besser zu verstehen. Wie sehr am Text, integraler Bestandteil des Liedes, auch die Beobachtung des L. Lessig, zutrifft, dass die jetzige Form des Urheberrechts Kreativität tötet, konnte die Herausgabe des Bandes erfahren. Dichtung, die nicht frei ist, wird wegen dieser Schwierigkeiten (und der damit verbundenen Kosten) nicht genutzt. Der hochbegabe Komponist Fernando Riederer konnte glücklicherweise seine ursprünglich geplante Liedkomposition gegen die jetzt vorliegende umtauschen. Wir freuen uns aber jetzt schon auf den zweiten Band dieser Ausgabe, die dann dieses Werk enthalten wird. Es ist aber bedauerlich, dass gültige Lizenzen nur als eine Geldquelle angesehen werden Eine fruchtbare Zusammenarbeit wird hier nicht einmal angedacht. Welche Dichtung erreicht nicht die gewünschte Wirkung und die größte Kommunikation mit dem Leser und Zuhörer, wenn sie gesungen wird.

So unterschiedlich die Komponisten sind und so verschieden die Länder, aus denen sie stammen, sie präsentieren alle das Lied, nicht den Song und kein Chanson. Sie sind weniger einer traditionellen Gesangskultur verpflichtet als der Neuen Musik und der Moderne. Damit sind sie wegweisend für eine eigenständige zeitgenössische Gesangskultur. Euro Song und aufgestellte Beliebtheitsränge bekannter Schlager verdecken, dass das Lied lebt und wie! Würde man nach den jetzt schon vorliegenden Liedern sagen, auf deren öffentliche Aufführung wir nicht so lange warten wollen wie bei der Winterreise von Schubert. Liebhaber der Gesangskultur meldet Euch – die Lieder versprechen einen schönen Abend voller Kommunikation und intensiver Momente.