Lankes keine Fachliteratur? Nur Ideengeber? Da fragt es sich, was Fachliteratur eigentlich sein soll, sie soll doch gerade den Horizont erweitern und neue Ideen diskutieren. Dafür liest man Fachliteratur, besucht Konferenzen und spricht mit Kollegen. Und ein zeitloses Thema ist:  Wie erreicht die Bibliothek die politischen Entscheidungsträger? Dieses Thema gab es schon zu der Zeit, als ich noch eine blutjunge Bibliothekarin war, auch, als vor einigen Jahren viele Bibliotheken abgewickelt wurden; das totgeschwiegene Handbuch der Kulturzerstörung von R. Strzolka erwähnt es, und in der Dissertation von Helga Schwarz über das Deutsche Bibliotheksinstitut, die gerade erschienen ist, kommt es ebenfalls vor.

Ja, es ist ein Buch für Entscheider. Hier befindet sich der deutschsprachige Raum in einer ähnlichen Situation wie die Bibliotheken in den USA, dass nämlich jene, die über das Budget von Bibliotheken entscheiden, von Jahr zu Jahr schwerer zu überzeugen sind. Leider hat die Literatur im deutschsprachigen Raum wenig darüber herausgebracht, wie die Bibliotheken ihre Stakeholder für sich gewinnen können, obgleich es hier um eine Existenzfrage geht. Aber Lankes (und andere Amerikaner) zeigen, wie es geht, und auf ihre Beispiele müssen wir in einem ersten Schritt zurückgreifen.

Sie schreiben: „Das Buch reflektiert hinsichtlich der Erwartungshaltungen und der Beispiele jedoch fast ausschließlich die US-Situation. … Das Buch ist insofern weder Fachliteratur (allenfalls Ideengeber) noch für die beschriebene Zielgruppe sinnvoll einsetzbar.“

Ja, der Autor ist Amerikaner, und viele seiner Beispiele stammen aus den USA, aber diese Ideen treffen global zu. Große Teile der Gesellschaftswissenschaften in Deutschland arbeiten seit Jahrzehnten vorwiegend daran, in den USA entwickelte Ansätze auf unser Land zu übertragen, nachdem sie (hoffentlich!) eine Anpassung an die deutschen Spezifika vorgenommen haben. Das trifft auch auf Teile der Bibliothekswissenschaften und der Bibliothekspraxis zu. Sollten sich demnach große Teile der Wissenschaft und der für uns unmittelbar relevanten Wissenschaft und die von ihr beratene Praxis auf einem Irrweg befinden? Ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Sie einen Transfer von Ideen und Erkenntnissen von einem kulturellen Kontext zum anderen in entwickelten westlichen Ländern für nicht möglich halten und für eine Abschottung der Bibliothekswissenschaft und -praxis nach Ländergrenzen plädieren. Das kann doch nicht sein, oder?

Im Übrigen hat Prof. Hobohm in seiner lesenswerten Einführung die Initiativen in Deutschland genannt, die bereits mit diesen Ideen arbeiten. Weitere Beispiele werden in Kürze, davon bin ich überzeugt, dazukommen, auch durch die Verbreitung des Buches von Lankes in deutscher Sprache.

In diesem Zusammenhang empfehle ich Ihnen zwei Beiträge des Chefredakteurs von Open Password und Mitübersetzer des Buches von Lankes, Dr. Willi Bredemeier, der sich mit der Übertragbarkeit des Ansatzes von Lankes auf die deutschsprachige Bibliothekswelt auseinandergesetzt hat (a) „Zukunft der Bibliotheken“: Brauchen wir neue Spielregeln für die Debatte? Vorschläge auf der Basis des Buches von Lankes; b) Ein anderer Ansatz für die „Zukunft der Bibliotheken“ – Die Bibliothek als Teil und verlängerter Arm ihrer Community). Beide Beiträge werden im Mai erscheinen (www.password-online.de). Gern stellen wir Ihnen diese auch vorab zu.

Wie erhellend ist Lankes Analyse der „Mission Statements“ von Bibliotheken auf der Grundlage ihrer Stellung und Aufgaben in der Community auch für deutsche Bibliotheken! Wer wie ich jahrelang bei Seminaren und Studienreisen gegen die schreckliche Unsitte gekämpft hat, eine Bibliothek nach ihrer Bestandszahl und Größe zu bewerten, weiß, dass diese nicht die Bibliothek ausmachen. Was die Bibliothek ausmacht, sind die Aktivitäten der Bibliothek mit ihren Mitgliedern. Um das zu verstehen, ist eine Lektüre von Lankes Buch außerordentlich hilfreich.

Unverständlich ist mir die Kritik an der Aufnahme des Buches in die bibliothekswissenschaftliche Reihe des Verlages. Herr Prof. Hobohm ist der Herausgeber der Reihe „Bibliotheksforschung“. Da der Verlag Herrn Hobohm eine Reihe guter Autoren zu verdanken hat, sind wir sehr froh über die Zusammenarbeit. Dass Lankes auch in diese Reihe gehört, stand nie außer Frage. Im Übrigen entscheidet der Verlag über die Aufnahme in sein Programm selbständig und allein. Dafür ist er Mitglied bei der Organisation independent-verlage.com, die nicht die Mittel hat, Bücher in den Buchhandlungen zu promoten, wie es große Verlage tun, und die die Ideen von Outsourcing der Bestandsentwicklung in Bibliotheken, wie sie in Berlin auf dem Tisch liegen, in einem anderen Licht erscheinen lassen.  

David Lankes Buch lag Ende letzten Jahres gedruckt vor.  Obwohl wir schon mit einer guten Nachfrage gerechnet hatten, hatten wir nicht vorausgesehen, dass wir jetzt schon nachdrucken müssen. Das Buch wird auch von österreichischen und schweizer Kollegen gekauft, die uns die ersten Exemplare aus den Händen rissen, denn Lankes ist Keynote Speaker auf einer internationalen Konferenz in Winterthur in diesem Jahr, und man war sehr froh, dass das Buch auf Deutsch vorliegt.

Das Buch zeigt kurzweilig und anschaulich, wie Bibliotheken sein sollten, sein können, ja sein müssen, wenn sie in den nächsten Jahren eine Rolle spielen werden.

Das Gegenteil von dem, was Sie in Ihrer Rezension schreiben, trifft zu: Wenn wir eine demokratische Zukunft haben wollen, sollten wir dieses Buch lesen und uns und unsere Stakeholder für die Ideen begeistern.